Eine verbandsübergreifende Fußball-Spielgemeinschaft hat es lange nicht mehr gegeben: Nun machen zwei Vereine aus dem Fußballverband Rheinland (FVR) und dem Südwestdeutschen Fußballverband (SWFV) gemeinsame Sache. Der SV Oberwesel aus dem Fußballkreis Hunsrück/Mosel und die SpVgg. Viertäler aus dem Fußballkreis Mainz-Bingen gehen ab der neuen Saison eine Partnerschaft ein. Die SG Viertäler Oberwesel wird im Rheinland an den Start gehen und die „Plätze“ der beiden Mannschaften des SV Oberwesel in der Bezirksliga Mitte und in der Kreisliga B Süd einnehmen.
Das Rhinelanderstadion des SV Vesalia Oberwesel und der Kunstrasenplatz der SpVgg. Viertäler in Winzberg liegen neun Kilometer Luftlinie entfernt. Außer in Testspielen haben sich seit 1970 beide Klubs noch nie gegenübergestanden, die fußballerische Grenze zwischen dem FVR und dem SWFV verhinderte seitdem dies.
Berührungspunkte zwischen dem SV Oberwesel und der 1990 gegründeten SpVgg. Viertäler aus Oberdiebach, Bacharach, Manubach, Niederheimbach und Oberheimbach hat es aber genug gegeben. In einer Jugendspielgemeinschaft arbeiten beide Vereine schon länger zusammen, zudem nutzte der SV Oberwesel vor allem in den Wintermonaten den vor drei Jahren errichteten Kunstrasen in Winzberg als Spiel- und Trainingsstätte. Zudem wechselten einige Spieler zwischen den Vereinen hin und her. Zuletzt war das bei Julian Stüber (von Oberwesel nach Viertäler und zurück) und Johannes Lehré (von Viertäler zu Oberwesel und zurück) der Fall.
Stürmer Lehré war der letzte Spielertrainer bei Viertäler (bei Saisonunterbrechung Tabellenachter in der B-Klasse Mainz-Bingen West) und wird in der neuen SG mit Oberwesel der spielende Co-Trainer von Coach Peter Ritter. Für die Reserve die bei einem Saisonabbruch in der B Süd an den Start gehen wird, sind die SG-Verantwortlichen um die Abteilungsleiter Chris Ströter (SVO) und Udo Fülber (SpVgg) noch auf der Suche nach einem Trainer.
Oberwesels Vorstandsmitglied Lennart Schuck sagte zur SG mit der SpVgg. Viertäler: „Das war keine Entscheidung über Nacht, sondern sind gereifte Überlegungen, die dem Fußball in einer Region langfristig eine interessante Perspektive geben werden. Wir standen nie im sportlichen Wettbewerb und haben ein gutes gegenseitiges Verständnis für die Stärken und Schwächen des anderen Vereins entwickeln können. Wir sehen auf beiden Seiten brachliegende Potenziale. Natürlich sind wir auch nicht blauäugig und haben im Blick, dass der Erfolg einer Spielgemeinschaft vielleicht sogar weniger auf dem Platz als in dem Vereinen von Menschen begründet liegt.“
Oberwesels Abteilungsleiter Chris Ströter war einer der wesentlichen SG-Initiatoren: „Beide Vereine liegen mir am Herzen. Ich habe ja selbst auch in Bacharach einige Jahre gelebt. Oberwesel ist mein Heimatverein, wenn ich dann feststelle, dass die Personaldecke bei beiden Vereinen etwas dünn ist, dann ist es sinnvoll, sich über einen gemeinsamen Weg auszutauschen. Wichtig war mir vor allem, dass wir uns alle einig darüber waren, dass der Zusammenschluss langfristig sein soll und wir insbesondere von dem perspektivischen Erfolg überzeugt sind. Mit den fantastischen Sportstätten schaffen wir zudem ein Fundament für unsere Jugendspieler.“
Die Personalsituation vor allem bei der SpVgg. Viertäler ist von Jahr zu Jahr schwieriger geworden, vor zwei Jahren wurde die zweite Mannschaft abgemeldet. Auch der SV Oberwesel kämpfte sich zuletzt mit seinen zwei Mannschaften personell geradeso über die Runden. Nun werden aus zwei Oberweseler Teams einer Viertäler-Elf zwei Mannschaften gebildet. Mindestens 15 Akteure bringen die Viertäler in die SG ein, fast alle werden wohl in der Reserve spielen. Auch wenn Chris Ströter sagt: „Man muss gucken, wer von ihnen an der Bezirksliga kratzen kann.“
Was denkt der Partner aus dem „Südwesten“? Udo Fülber, der Sportliche Leiter der SpVgg. Viertäler, sagt: „Wir werden zwei starke Mannschaften in die Saison schicken können. Wir haben mit einem Rasenplatz in Oberwesel und unserem Kunstrasen in Winzberg optimale Bedingungen. Der Verbandswechsel schmerzt natürlich im ersten Augenblick etwas.“ Der Wunsch der verbandsübergreifenden Spielgemeinschaft war, für die Bezirksliga-Mannschaft im Rheinland und die B-Klasse-Reserve im Südwesten spielen zu lassen. Das wurde aber von beiden Verbänden (FVR und SWFV) natürlich aus Satzungsgründen abgelehnt. Deshalb geht der Weg der neuen SG ins Rheinland, wo Oberwesel den Bezirksliga-Platz hat.
Fülber und Co. Wollen sich mit dem für sie neuen „Fußballgebiet“ schnell anfreunden: „Im neuen Verband erwarten uns auch sehr interessante Derbys. Die Spieler und wir als Vorstand freuen uns darauf, gemeinsam mit dem SV Vesalia Oberwesel eine feste Größe am Mittelrhein etablieren zu können.“ Der Viertäler-Vorsitzende Bernhard Laudert sieht große Vorteile bei der neuen Partnerschaft mit Oberwesel: „Beide Seiten merkten schnell, dass hier etwas zusammenwachsen kann. Mit unseren Freunden aufwärts des Rheins ist es uns ebenso in den kommenden Jahren ein Wichtiges, den Jugendfußball zu fördern. Wir sehen der neuen SG sowohl im Jugend- als auch im Seniorenfußball sehr gut aufgestellt.
Wohin kann der Weg der SG Viertäler Oberwesel führen? Vor einem Jahr wurde Oberwesel Dritter in der Bezirksliga, nun steht man auf dem zweiten Tabellenplatz. Bei einem wahrscheinlichen Saisonabbruch wegen der Corona-Pandemie würde der FC Metternich in die Rheinlandliga aufsteigen – und aus dem Verbandsoberhaus würde kein Team runterkommen. Durch die Spielgemeinschaft mit Viertäler, die Oberwesel vor allem mit dem Kunstrasen eine immerwährende Spiel- und Trainingsmöglichkeit gibt, und der Erweiterung des Kaders durch die externen Zugänge Alex Auer (SSV Boppard), Leon Reinhold (SG Rhens) und Joshua Gras (SC Weiler) dürfte die SG Viertäler Oberwesel in der kommenden Saison zu den Top-Kandidaten auf den Aufstieg in die Rheinlandliga zählen. „Ich sehe uns nicht in der Favoritenrolle“, sagt SVO-Abteilungsleiter Chris Ströter: „Unser Ziel wird nicht Rheinlandliga lauten, wir sind in der Bezirksliga gut aufgehoben. Wenn das aber irgendwann mal Thema wird, werden wir das sicherlich nicht ausschließen.“
Trainer Routinier Peter Ritter (seit Juli 2016 in Oberwesel) dürfte auf jeden Fall gerne neue Seiten an seinem Job am Rhein kennenlernen. Die jüngsten Probleme, den Kader für den Spieltag vollzubekommen sowie die geringe Beteiligung unter der Woche beim Training, dürften auch durch die SG-Gründung vorbei sein. „Peter wird jetzt immer genug Leute haben“, sagt Chris Ströter: „Da wird er als Trainer richtig gefordert werden.“ Vielleicht gelingt Ex-Profi Ritter (57) ja mit der SG Viertäler Oberwesel das, was er auf seinen vorangegangenen Stationen beim TuS Rheinböllen, dem TSV Emmelshausen und der SG Mörschbach nicht geschafft hat – den Aufstieg von der Bezirksliga Mitte in die Rheinlandliga.
Quelle: Rheinzeitung, Redakteur: Michael Bongard